Am Abend vor meinem Abflug nach Madrid rief mich jemand von der ELG, meiner Praktikumsorganisation in Deutschland, an, um mir zu sagen, dass EL DUENDE das Praktikum kurzfristig abgesagt hat. Ich sass sprachlos neben meinen Koffern. Vaya lío. Das fängt ja wieder mal gut an. Man sagte mir, ich solle erst mal nach Madrid fliegen, mich ausruhen (wovon?), und dann Fresia, meine Kontaktperson vor Ort, anrufen. Sie hätte "spannende Alternativen" für mich bereit. Nun gut, ich bin ja flexibel, nicht wahr?
Fresia, eine argentinische Powerfrau, kam ganz schön ins Schwitzen. Eigentlich hatte sie mir nichts zu bieten. Ich musste eine halbe Woche warten, bis sie mit mir zu einem Interview bei einem Radiosender ging. Radiovallekas, nicht-kommerzieller Sender, mit Beiträgen zu sozialen Themen, Sendegebiet hauptsächlich im Süden Madrids, nicht gerade die Gegend. Ich bekam es beim Sender mit zwei Feministinnen zu tun, die täglich den einstündigen Beitrag "Nosotras en el Mundo" (Wir (Frauen) in der Welt) produzieren. Falscher Film.
Das Büro befand sich am Arsch der Welt (Metrostation "Buenos Aires", einziger Lichtblick, aber auch nur auf dem Papier). Die Heizung war kaputt, die Tische übersät mit Papier und dreckigen Kaffeetassen, die PCs veraltet (15 Minuten um zu starten), das Ambiente kämpferisch-frustriert. Ay Dios.
Eigentlich hatten sie gar keine Zeit für mich. Und auch keine Arbeit. Ich sass mit Mantel und Schal da und durfte mir Radiobeiträge anhören, um einen Eindruck von den Themen zu bekommen. Lucía war nett, Susana ignorierte mich (störte sie mein Outfit? meine langen Haare?). Wieder falscher Film.
Einen Tag lang übersetzte ich ein Interview vom Französischen ins Spanische. Susana sprach mit einer französischen Feministin über die Erfolge und Misserfolge der internationalen Frauenkongresse. Die Fragen stellte sie in Englisch, die Antworten waren auf Französisch. Die zwei Frauen redeten sozusagen aneinander vorbei.
Danach war ich wieder "arbeitslos". Als Highlight "durfte" ich mit Beatriz, einer jungen Journalistin, die Erfahrungen beim Radio sammeln wollte, an ein Seminar in einem besetzten Haus gehen, wo wir Tonaufnahmen machen sollten. "Geschlechterverhältnis in der Hausbesetzerszene". Wir sassen frierend auf unbequemen Stühlen, umgeben von jungen und alten Okupas, die über 2 Stunden angeregt diskutierten. Ich kam mir depalziert vor mit meinem Desigual-Mantel, den Stiefeln und der silbernen Handtasche. Das ist wohl nun das, was von der "Movida Madrileña" noch übrig geblieben ist. Surreal.
Ich teilte Fresia mit, dass ich nicht mehr für diesen Radiosender arbeiten werde. Diese "spannende Alternative" war eine Frechheit. Nächste Runde.
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